Menschen, die alleine sind, sind uns auch deshalb suspekt, weil sie vermeintlich zu keinem Rudel gehören.
Wer zu keinem Rudel gehört, scheint sich nicht rudelgemäß – also sozial – zu verhalten, scheint in keine Gemeinschaft zu passen, scheint eine Gefahr darzustellen, scheint meidenswert.
Der Mensch überlebt nur im Rudel, daher ist dies tief in unseren Instinkten verankert, Einzelgängern zu misstrauen.
Man muss nicht mal Einzelgängerin sein, um misstrauische Blicke zu ernten, wenn man alleine spazieren, essen, in eine Bar oder ins Kino geht. Hat die keine Freunde?
Manchmal habe ich das Gefühl, mich in diese Situation hineinmanövriert zu haben und nicht mehr herauszukommen. Die Pandemie hat bestimmt ihr Übriges getan, ohne Zweifel, hat Gehirnwäsche betrieben. Aber meine besten Freundinnen wohnen so weit weg und es fällt mir schwer, andere, neue Freundinnen zu finden. Liegt das am Alter? Die meisten bauen Nest, gründen Familie. Es ist nicht mehr so einfach wie im Studium, wo man automatisch viel Kontakt zu anderen hatte.
Gleichzeitig langweilen mich viele Menschen mittlerweile (vermutlich ist das das Problem, ich weiß). Ständig auf der Suche nach der nächsten Ablenkung, ständig andere Leute treffen, da nen Kaffee, dort n Sektchen, Partyparty bis auf Nimmerwiedersehen. Ich habe Dinge zu erledigen, Ziele. Ich habe das Gefühl, die Zeit rennt mir davon.
Ich war schon immer gern allein mit mir. Das Gefühl der Langeweile bietet viel Potenzial für Kreativität, es eröffnet neue Räume (s. mein Text Lange Weile).
Wenn ich mal nicht auf eine Party gehen wollte, weil ich wusste, ich würde mich dort wegen der Leute einsamer fühlen als zuhause in meinem Zimmer, hat mich meine Mutter seltsam – misstrauisch – angesehen. Was stimmt nur nicht mit dir, mein Kind, geh doch auf die Party, was hast du denn schon wieder? Sei doch nicht so komisch. Warum habe ich mich dann am Ende schlecht gefühlt? Wegen solcher Worte.
Natürlich sehne ich mich nach anderen Menschen, dazuzugehören, nach einer Gruppe, die mich auf- und so nimmt, wie ich bin. Ich wünsche mir nichts sehnlicher. Meistens aber muss ich mich verstellen, so tun, als ob, es ist immer dasselbe. Ich habe auch Menschen, die ich zu meinem Rudel zähle, aber die wohnen alle weit weg (die meisten zumindest).
Ich gründe bald mein eigenes Rudel, das ist mal sicher. Bis dahin heule ich den Mond an.
(Halle, 3.6.22)
P.S.: „Rudel“ ist so ein komisches Wort. Lest das mal öfters hintereinander. Rudel. Rudel. Rudél. Rúdel. „Rudl“ ist außerdem der (Spitz)Name meines Großonkels, des Bruder meines Opas. Nur so. Und: Mir ist klar, dass „Rudel“ nicht der passendste Ausdruck ist, „Gruppe“ wäre passender. Aber „Rudel“ gefällt mir dann doch besser grad ;).