Gut so

Was, wenn ich von klein auf gelernt hätte, dass es gut ist, wie ich bin? Dass es auch okay ist, wenn ich mal lieber zuhause bleibe, als auf die nächste Party zu gehen. Wenn ich Menschenansammlungen lieber meide und mein eigenes Ding mache. Wenn mir Gruppen suspekt sind. Wenn ich lieber schweige, als dauernd meine Meinung laut kundzutun. Wenn ich eher ruhig und zurückhaltend bin. Lieber beobachte, überlege, nachdenke und dann erst handle.

Stell dir vor, jemand hätte zu dir gesagt, wie toll das ist, dass du lauter Geschichten schreibst und Lebewesen erfindest, was für eine wundervolle Fantasie du doch hast, und dass du gut im Lesen und Schreiben bist, das ist doch auch toll. Stell dir vor, du wärst damit aufgewachsen zu wissen, dass du etwas gut kannst, und dass du gut bist, wie du bist.

Stell dir vor, du hättest all die Liebe bekommen, die du gebraucht hättest, und das gerade dann, als du innerlich am zerrissensten warst. Als plötzlich wichtig wurde, wie man aussah, und der ständige Vergleich begann. Gerade dann, als die anderen Mädels angefangen haben, sich zu schminken und sich nur noch für Jungs und Klamotten zu interessieren, dann, stell dir vor, hätte dir jemand gesagt, dass das auch gut ist, dass ich mich nicht dafür interessiere, dass mich das nicht weniger weiblich macht, und dass das super ist, dass ich mich eher für Latein interessiere oder lese.

Stell dir vor, niemand hätte dich nach ein paar Monaten für eine langbeinige, jüngere Blondine verlassen, und stell dir vor, das wär dir nicht gleich mehrere Male passiert. (Dein Verstand weiß eigentlich, dass es für deinen Weg letztlich gut so war, aber dein Herz deutet auf die Narben und verzieht vor Schmerz das Gesicht. Es ist gut so, wie es gekommen ist, sonst wärst du nicht da, wo du bist, und nicht die, die du bist. Ohne Schmerzen, kein Wachstum, erinnerst du dich?)

Stell dir vor, in der Uni wäre es anders als in der Schule gewesen, deine Meinung zählt und deine Sicht auf die Welt, viele Antworten sind möglich und lass uns diskutieren. Stell dir vor, jemand hätte dir gesagt, dass du trotzdem eine vollwertige Studentin bist, auch wenn du dir Namen und Zahlen nur schwer merken kannst und das Fach Geschichte einfach nicht dein Ding ist. Dass es okay ist, auch wenn du dich nicht so oft meldest und fünf Minuten lange Fragen stellst, denn das heißt nicht, dass du weniger klug bist. Dass es okay ist, nicht immer ganz sachlich zu bleiben, denn wie soll man auch manche Dinge nüchtern und trocken in fremdklingenden Worten sagen, die die Sache komplizierter machen, als sie eigentlich ist?

Wenn das alles so wäre, würdest du jetzt vielleicht wissen, dass du all diese Liebe wert bist, dass du es wert bist, gehört zu werden, geliebt und geschätzt, dass du deine Meinung sagen darfst und du dadurch niemanden verlierst. Dass du so sein darfst, wie du bist, weil genau so ist es gut so, und genau so lieben dich die Menschen, die dich lieben, weil sonst wärst du ja nicht du. Lass das alles zu und schau, was passiert. Eine andere Dimension, ein Paralleluniversum, ja, und du kannst den Zugang dazu finden. Ihn öffnen. Hineingehen. Und nie wieder zurückschauen.

[Halle, 18.1.23]

Wissen ist Macht

Wir geben bewusst und unbewusst all unsere intimsten Wünsche an Plattformen ab, deren Existenz uns mittlerweile normal erscheint und die wir nicht hinterfragen. Dahinter stecken Menschen, die diese Daten sammeln und dadurch Geld machen, indem sie diese weiterverkaufen. Nie vergessen: In dieser Welt ist nichts gratis – wenn es uns kein Geld kostet, dann zumindest unsere Daten. Und wer kauft die? Alle, die diese zu Werbezwecken einsetzen und damit noch mehr Geld machen. Alle, die uns kontrollieren, im Auge behalten wollen. Wissen ist Macht, und mit den Daten im Internet haben wir uns längst gläsern gemacht.

Menschen, die
freiwillig all ihre
Geheimnisse abgeben,
im Glauben, sie gehören dann
noch ihnen.

Alles, was wir in
diese Wunderkästen eingeben,
macht uns mit jedem Tippen
gläserner,
wir sind so durchsichtig, sie kennen
uns so gut, wie wir uns
nicht mal selbst kennen wollen.

Wir verkaufen uns.

Eine Dystopie, Wirklichkeit geworden:
der gläserne Mensch,
freiwillig,
mit Vergnügen
ahnungslos und
gleichgültig.

Wichtiger: Unser Spaß, Befriedigung, letzten Endes Liebe.

Wen kümmern da die Machenschaften im Hintergrund?
Du hast nichts zu verbergen, sagst du, und deine Würde?
Du bist nur noch ein Werbeziel, eine Figur in ihrem Spiel der Milliarden: Ihm gefällt dieser Sport, also lass exakt diese Anzeige bei ihm schalten, sie hat ein Problem mit ihrem Nacken, haben wir mitgehört, also bekommt sie Werbung für spezielle Nackengerademachdinger.

Wir lenken euch hierhin und dann dorthin, genau da hin, wo wir wollen,
Euer Wille soll frei sein?
Dass wir nicht lachen, ihr wählt gefälligst den da, verteufelt die da und bleibt immer schön panisch, auf der Suche, unzufrieden, unerfüllt, hier gibt es noch Optimierungspotenzial, da kommt die nächste Katastrophe, überall lauert Verschwörung.

Keine Chance auf Stillstand und Ruhe, auf wirkliche Besinnung, denn die wäre unser Tod.
Glücklich sein ohne Konsum, das Herz voller Liebe, vielleicht sogar selbstloser? Unmöglich, hier habt ihr Filme und Videos von romantischer, echter Liebe, so muss das aussehen, das braucht ihr dafür, und wenn es nur ein Kurs für Yoga oder Entspannung oder Selbstoptimierungscoaching ist.

Wissen ist Macht, wir wissen, was ihr macht,
braucht, wollt, wir erzählen es euch,
doch das gibt es nur, wenn ihr uns folgt, wenn ihr das kauft, die App herunterladet, wo ihr noch mehr Informationen über euch abgebt – mehr Wissen, mehr Macht.

Schon witzig, dass niemand aufsteht gegen diese Vergläserung der Gesellschaft.

Ach, der Mensch, haha, solange er es bequem hat, solange er satt und unterhalten ist,
können wir tun, was wir wollen.
Tippt also weiterhin alle eure Sehnsüchte, Geheimnisse und Fantasien in eure kleinen und großen Zauberkästchen, akzeptiert alle Kekschen, sprecht laut und deutlich, damit die Mikrofone euch auch verstehen und aufnehmen können.
Hier, ein paar Likes für euch und kostenlose Apps, bessere Kameras und sonstigen Schnickschnack.

Vielen Dank für die Mitarbeit und auch für euren Beitrag zu unserem Reichtum, mit freundlichen Grüßen: die auf der anderen Seite.

[Halle, 16.1.23]

Kommentar zu Lützerath

In diesen Tagen, genauer gesagt seit Mittwoch, dem 11.1., hat die Polizei begonnen, den Ort Lützerath zu räumen. Ihnen stehen Dutzende Klimaaktivisti entgegen, die zum Teil schon seit 2,5 Jahren in dem verlassenen Ort wohnen, der nun von RWE wegen der darunterliegenden Kohle abgebaggert werden soll. In Baumhäusern wohnen sie, in den verlassenen Häusern, in Zelten und sogar in einem selbstgegrabenen Tunnel.

Politiker ermahnen die Aktivisti, doch vernünftig zu sein und sich mit dem bereits erkämpften „Sieg“ zufrieden zu geben. Der „Sieg“ besteht darin, dass RWE „nur noch“ acht Jahre Kohle abbaut, 2030 ist dann Schluss. In meinen Augen klingt das nach blankem Hohn.

Die Erde brennt und ertrinkt jetzt schon. Bei uns auch, aber im globalen Süden noch schlimmer, und das schon lange. Millionen Menschen hungern aufgrund der Dürren, oder weil das ganze Land überschwemmt ist. Millionen Menschen erleben hautnah, was es heißt, wenn das Klima sich wandelt. Was Klimakatastrophe bedeutet.

Aber für die Politiker hierzulande und die RWE-Chefs sowieso ist das nicht wichtig. Sie sitzen in trockenen, klimatisierten (dieses Wort…) Häusern, wo sie die Räumung mit allen Mitteln in Auftrag geben. Wo sie trotz gegenteiliger Studien behaupten, der Abbau im ausgemachten Gebiet ist schon okay, weil sie ja in acht Jahren eh aufhören.

OMG wir machen so viel für das Klima, und jetzt geht mal runter von den Bäumen und hört auf mit eurem linken Aktivistenscheiss, habt ihr nichts zu tun, oder was? Versteht ihr nichts von Politik und wie das nun mal läuft? Kompromisse schließen heißt das, und für alle sorgen. Auch für Unternehmen.

Ja, das haben wir mittlerweile verstanden. Lützerath ist ein historisches Ereignis, denn es zeigt auch ganz klar und deutlich, wer noch immer gewinnt hier in Deutschland und wer vor allem am wichtigsten ist: Es sind die Unternehmen, es ist die Lobby, schaut mal nach Berlin, da überlegen sie, wie sie die Autounternehmen retten, obwohl wir doch nicht noch mehr Autos brauchen, sondern Lösungen abseits davon.

Wir können es in diesem Kontext nicht mehr allen recht machen wollen. Wir müssen Kompromisse schließen für das Klima und damit für die ganze Welt, und nicht nur für Unternehmen. Aber die Aaarbeitsplätze, und die Wiiirtschaft! Jaja, das alte Argument, das geht auch anders, man müsste nur wollen. Es ginge alles anders und besser, wir sind doch voller Ideen, aber der Status Quo ist nun mal bequemer, vor allem für diejenigen, die davon am meisten profitieren.

Kein Wunder, bei diesen Umständen, dass die Aktivisti in Lützerath sich so verzweifelt an jeden Baum und an jeden Quadratmeter „festkleben“. Kein Wunder, dass sie nicht aufgeben, denn was ist die Alternative? Schon wieder einem Unternehmen den Platz überlassen und einfach zusehen?

Lützerath ist ein Hoffnungsschimmer, ein letzter Anker, dass wir noch etwas bewirken können, wenn wir uns dafür einsetzen. Lützerath ist die letzte Bastion gegen einen zerstörerischen Kapitalismus, das Grundübel, das uns in seiner Gier noch die letzten Lebensgrundlagen raubt (und ich spreche hier vor allem für die Länder im Globalen Süden, wir hier in Deutschland haben es ja eh noch gut. Bei diesem Thema dürfen und können wir aber nicht egoistisch, sondern müssen solidarisch und global denken).

Mein ganzer Respekt geht an die Menschen vor Ort, die seit Jahren oder auch seit kurzem sich an den Abgrund stellen und für uns alle eine lebenswerte Erde erkämpfen. Ich wünsche, dass über alle Polizist:innen vor Ort eine Welle der Liebe kommt, sodass sie sich auf eure Seite stellen. Wie soll RWE weitermachen, wenn niemand mehr für sie Gewalt ausübt? Oder die Chefs von RWE werden von einem Engel besucht, haben eine göttliche Eingebung und setzen ihre Milliarden ab sofort für das Klima ein. Wir könnten so viel erreichen mit all dem Geld der reichsten Männer der Welt, so viele Kinder könnten ernährt, so viele Bäume gepflanzt, so viele Windräder und Solarzellen aufgestellt werden, so viel, so viel.

Wir müssen weiter von einer besseren Welt träumen und für sie kämpfen, denn wenn wir aufhören, geben wir uns auf. Bis dahin gilt: Lützi bleibt!

[Halle, 13.1.23]

„Liebe ist die…

… einzige Revolution“ – Krishnamurti.

Wenn wir allem Lebenden mit Liebe begegnen, ändert das alles.

Wir gehen liebevoll mit uns und also auch mit anderen um, wir lieben die Natur und alle kleinen und großen Lebewesen darin, wir töten sie nicht mehr für unseren Profit.

Wir lieben unsere Erde, auf der wir leben dürfen und die voller Wunder ist, wir verschmutzen ihre Luft, ihren Boden und ihr Wasser nicht mehr.

Wir führen keine Kriege mehr, weil niemand Hass auf den Anderen empfindet und niemand aus Gier anderer Länder Gut besitzen will.

Wir teilen alles, weil wir genug für alle haben, und niemandem soll es schlechter oder besser gehen.

Wir machen niemanden kleiner, damit wir uns größer fühlen, weil wir den Vergleich nicht kennen und wir alle gleichwertig sind. Kein Geschlecht ist besser als das andere, keine Hautfarbe hat vor der anderen Vorrang, institutionalisierte und ideologisierte Religionen gibt es nicht mehr, höchstens nur das Leben nach den Worten und Werten der Personen, die diese angestoßen haben. Die religiösen Institutionen instrumentalisierten deren Worte, um die Menschen beherrschen und lenken zu können.

Die eigentliche Botschaft war und ist die Liebe, sie ist die einzige Revolution und verbietet jegliche Institutionalisierung und Ideologisierung, die ihr entgegensteht.

[Essenbach, 26.12.22]

Alle Weisheit der Welt

Ich kann alle Weisheit der Welt in diese Zeilen stecken und du kannst sie hundertmal lesen, doch wofür. Du kannst sie verstehen, aber nicht wahrhaftig sehen, denn nur wer selbst erlebt und eigene Erfahrungen macht, weiß, was sie bedeuten.

Du kannst alle Bücher der Welt gelesen haben, aber solange du nicht lebst, d.h. dich selbst der Welt dort draußen aussetzt, durch Höhen und Tiefen gehst, verletzt wirst, heilst, liebst, weinst, kann kein Buch der Erde dir echte Weisheit verleihen.

Du magst alle diese Worte verstehen, sie ergeben Sinn, sind logisch oder schön, du kannst sie wiedergeben. Aber solange du nur fremde Worte wiedergibst und nicht deine eigenen, solange bleibst du an der Oberfläche und ahnungslos. Finde deine eigenen Worte für deine eigenen Erlebnisse, Empfindungen, Entdeckungen.

Du liest, um nicht alles selbst erleben, um nicht jeden Fehler selbst machen zu müssen. Doch einige musst du selbst machen, um wirklich daraus zu lernen.

Du kannst Dingen, die du fürchtest, lange aus dem Weg gehen – eines Tages holen sie dich jedoch ein, und sei es im nächsten Leben. Du wirst so lange daran leiden, sie werden dich so lange verfolgen, bis du stehen bleibst und dich ihnen stellst. Sprich mit ihnen und vielleicht erkennst du ja, dass ihr Schatten größer als sie selbst war.

[Halle/Saale, 2.1.23]