Kommentar zu Lützerath

In diesen Tagen, genauer gesagt seit Mittwoch, dem 11.1., hat die Polizei begonnen, den Ort Lützerath zu räumen. Ihnen stehen Dutzende Klimaaktivisti entgegen, die zum Teil schon seit 2,5 Jahren in dem verlassenen Ort wohnen, der nun von RWE wegen der darunterliegenden Kohle abgebaggert werden soll. In Baumhäusern wohnen sie, in den verlassenen Häusern, in Zelten und sogar in einem selbstgegrabenen Tunnel.

Politiker ermahnen die Aktivisti, doch vernünftig zu sein und sich mit dem bereits erkämpften „Sieg“ zufrieden zu geben. Der „Sieg“ besteht darin, dass RWE „nur noch“ acht Jahre Kohle abbaut, 2030 ist dann Schluss. In meinen Augen klingt das nach blankem Hohn.

Die Erde brennt und ertrinkt jetzt schon. Bei uns auch, aber im globalen Süden noch schlimmer, und das schon lange. Millionen Menschen hungern aufgrund der Dürren, oder weil das ganze Land überschwemmt ist. Millionen Menschen erleben hautnah, was es heißt, wenn das Klima sich wandelt. Was Klimakatastrophe bedeutet.

Aber für die Politiker hierzulande und die RWE-Chefs sowieso ist das nicht wichtig. Sie sitzen in trockenen, klimatisierten (dieses Wort…) Häusern, wo sie die Räumung mit allen Mitteln in Auftrag geben. Wo sie trotz gegenteiliger Studien behaupten, der Abbau im ausgemachten Gebiet ist schon okay, weil sie ja in acht Jahren eh aufhören.

OMG wir machen so viel für das Klima, und jetzt geht mal runter von den Bäumen und hört auf mit eurem linken Aktivistenscheiss, habt ihr nichts zu tun, oder was? Versteht ihr nichts von Politik und wie das nun mal läuft? Kompromisse schließen heißt das, und für alle sorgen. Auch für Unternehmen.

Ja, das haben wir mittlerweile verstanden. Lützerath ist ein historisches Ereignis, denn es zeigt auch ganz klar und deutlich, wer noch immer gewinnt hier in Deutschland und wer vor allem am wichtigsten ist: Es sind die Unternehmen, es ist die Lobby, schaut mal nach Berlin, da überlegen sie, wie sie die Autounternehmen retten, obwohl wir doch nicht noch mehr Autos brauchen, sondern Lösungen abseits davon.

Wir können es in diesem Kontext nicht mehr allen recht machen wollen. Wir müssen Kompromisse schließen für das Klima und damit für die ganze Welt, und nicht nur für Unternehmen. Aber die Aaarbeitsplätze, und die Wiiirtschaft! Jaja, das alte Argument, das geht auch anders, man müsste nur wollen. Es ginge alles anders und besser, wir sind doch voller Ideen, aber der Status Quo ist nun mal bequemer, vor allem für diejenigen, die davon am meisten profitieren.

Kein Wunder, bei diesen Umständen, dass die Aktivisti in Lützerath sich so verzweifelt an jeden Baum und an jeden Quadratmeter „festkleben“. Kein Wunder, dass sie nicht aufgeben, denn was ist die Alternative? Schon wieder einem Unternehmen den Platz überlassen und einfach zusehen?

Lützerath ist ein Hoffnungsschimmer, ein letzter Anker, dass wir noch etwas bewirken können, wenn wir uns dafür einsetzen. Lützerath ist die letzte Bastion gegen einen zerstörerischen Kapitalismus, das Grundübel, das uns in seiner Gier noch die letzten Lebensgrundlagen raubt (und ich spreche hier vor allem für die Länder im Globalen Süden, wir hier in Deutschland haben es ja eh noch gut. Bei diesem Thema dürfen und können wir aber nicht egoistisch, sondern müssen solidarisch und global denken).

Mein ganzer Respekt geht an die Menschen vor Ort, die seit Jahren oder auch seit kurzem sich an den Abgrund stellen und für uns alle eine lebenswerte Erde erkämpfen. Ich wünsche, dass über alle Polizist:innen vor Ort eine Welle der Liebe kommt, sodass sie sich auf eure Seite stellen. Wie soll RWE weitermachen, wenn niemand mehr für sie Gewalt ausübt? Oder die Chefs von RWE werden von einem Engel besucht, haben eine göttliche Eingebung und setzen ihre Milliarden ab sofort für das Klima ein. Wir könnten so viel erreichen mit all dem Geld der reichsten Männer der Welt, so viele Kinder könnten ernährt, so viele Bäume gepflanzt, so viele Windräder und Solarzellen aufgestellt werden, so viel, so viel.

Wir müssen weiter von einer besseren Welt träumen und für sie kämpfen, denn wenn wir aufhören, geben wir uns auf. Bis dahin gilt: Lützi bleibt!

[Halle, 13.1.23]

Zu viel Konjunktiv

Es ist frustrierend
beobachten zu müssen,
wie „die da oben“ agieren
gemäß dem Motto:
„nach uns die Sintflut“.

Ich erlebe so viel Verständnis,
Engagement, Solidarität, Toleranz,
Klugheit, Offenheit
unter uns Jungen.

Ach wie schön wär' die Welt,
wenn wir sie regierten.

Oder würden wir dann auch korrupt,
blind vor Ehrgeiz und Gier,
nur noch an die nächste Wahl denkend?

Alle Ideale über Bord werfend,
Geld und Macht macht geil,
keinen Gedanken mehr an diejenigen
verschwendend, denen es nicht so
gut geht wie uns.

Wer noch denkt, er kann mal
so wie unsere Eltern leben,
hat den Blick für die Realität verloren.
Es wird nie mehr so werden wie für die,
die unsere Chefinnen und Chefs sind,
die wir jetzt wählen müssen.

So viel Engagement, so viel Aktivismus,
und doch so wenig Hoffnung.
Die wächst in mir nur, wenn ich euch seh’,
unentwegt auf die Straße gehend,
euer Kampfgeist unberührt.

Warum kämpft ihr nicht für uns,
mit uns für eine Erde, auf der auch eure Enkel noch leben können?
Wer hat euch eigentlich erlaubt,
sich so charakterlos ungeniert
an die Spitze zu stellen,
hat euch denn niemand Demut und Bescheidenheit gelehrt?
Verliert man diese wertvollen Eigenschaften,
einmal den süßen Geschmack der Macht gekostet?

Ich träume von einer Welt,
in der „die da oben“ erkennen,
wieviel mehr Spaß es macht
anderen zu helfen
als nur sich selbst.




(Halle, 13.09.2021)