Kosmos

Ich stelle mir seit kurzem vor: In mir ist ein Kosmos. Ich ein Kosmos, ein Teil davon in jedem. Dieses Bild trägt mich durch den Tag, zaubert ein Lächeln auf mein Gesicht und wärmt das Herz. Ein eigener Kosmos, unglaublich. Ich bin meine eigene Welt, ein Stück vom Universum in mir.

Wie kann ich mich da noch mit anderen vergleichen? Wie kann ich da noch eifersüchtig oder neidisch sein? Wie kann ich da noch denken, jemand sei schlauer, schöner, schlanker als ich? Kein Komparativ, kein Superlativ ist möglich in diesem Bewusstsein. Wie kann ich noch Angst davor haben, was andere von mir denken? Wie sie über mich urteilen? Und wenn ich weiß, dass jeder und jede von uns ein Stück Kosmos in sich trägt, blicke ich liebevoll auf den anderen, verzaubert von diesem Wunder.

In uns sind unendliche, unerforschte Weiten, so viele Sonnen, so viel Licht, das noch existiert und auch nicht, schwarze Löcher und wer weiß schon, wo die überhaupt hinführen.

Wie kann ich behaupten, den anderen zu kennen, wie kann ich über den anderen urteilen, ihn verurteilen, wenn ich nicht mal mich selbst je zu 100 Prozent kennen werde? Wie kann ich jemals wieder denken, ich sei abgeschnitten vom Rest der Welt, ich sei einsam und verlassen, wenn ich doch als Stück Kosmos für immer zum Ganzen gehöre? Wie kann ich jemals wieder denken, ich sei nicht gut genug, für was?

Ich bin ein Kosmos!

Wie kann ich jemals wieder Angst davor haben, was andere über mich denken, ob sie mich mögen?

In dem Bewusstsein des Kosmos in mir denke ich nicht mehr: Ach, ist doch eh nicht wichtig, was ich sage. Jeder von uns hat etwas zu sagen, und jede Sicht auf die Welt, solange sie dem Herzen entspringt, ist wichtig.

Habt keine Angst davor, was da zum Vorschein kommen könnte, wenn ihr von Herzen schreibt. Lasst euren inneren Zensor nicht zu Wort kommen und wenn es doch passiert, hört nicht auf ihn, sonst schreibt ihr am Ende: nichts.

[Halle, 12.2.23]

Gut so

Was, wenn ich von klein auf gelernt hätte, dass es gut ist, wie ich bin? Dass es auch okay ist, wenn ich mal lieber zuhause bleibe, als auf die nächste Party zu gehen. Wenn ich Menschenansammlungen lieber meide und mein eigenes Ding mache. Wenn mir Gruppen suspekt sind. Wenn ich lieber schweige, als dauernd meine Meinung laut kundzutun. Wenn ich eher ruhig und zurückhaltend bin. Lieber beobachte, überlege, nachdenke und dann erst handle.

Stell dir vor, jemand hätte zu dir gesagt, wie toll das ist, dass du lauter Geschichten schreibst und Lebewesen erfindest, was für eine wundervolle Fantasie du doch hast, und dass du gut im Lesen und Schreiben bist, das ist doch auch toll. Stell dir vor, du wärst damit aufgewachsen zu wissen, dass du etwas gut kannst, und dass du gut bist, wie du bist.

Stell dir vor, du hättest all die Liebe bekommen, die du gebraucht hättest, und das gerade dann, als du innerlich am zerrissensten warst. Als plötzlich wichtig wurde, wie man aussah, und der ständige Vergleich begann. Gerade dann, als die anderen Mädels angefangen haben, sich zu schminken und sich nur noch für Jungs und Klamotten zu interessieren, dann, stell dir vor, hätte dir jemand gesagt, dass das auch gut ist, dass ich mich nicht dafür interessiere, dass mich das nicht weniger weiblich macht, und dass das super ist, dass ich mich eher für Latein interessiere oder lese.

Stell dir vor, niemand hätte dich nach ein paar Monaten für eine langbeinige, jüngere Blondine verlassen, und stell dir vor, das wär dir nicht gleich mehrere Male passiert. (Dein Verstand weiß eigentlich, dass es für deinen Weg letztlich gut so war, aber dein Herz deutet auf die Narben und verzieht vor Schmerz das Gesicht. Es ist gut so, wie es gekommen ist, sonst wärst du nicht da, wo du bist, und nicht die, die du bist. Ohne Schmerzen, kein Wachstum, erinnerst du dich?)

Stell dir vor, in der Uni wäre es anders als in der Schule gewesen, deine Meinung zählt und deine Sicht auf die Welt, viele Antworten sind möglich und lass uns diskutieren. Stell dir vor, jemand hätte dir gesagt, dass du trotzdem eine vollwertige Studentin bist, auch wenn du dir Namen und Zahlen nur schwer merken kannst und das Fach Geschichte einfach nicht dein Ding ist. Dass es okay ist, auch wenn du dich nicht so oft meldest und fünf Minuten lange Fragen stellst, denn das heißt nicht, dass du weniger klug bist. Dass es okay ist, nicht immer ganz sachlich zu bleiben, denn wie soll man auch manche Dinge nüchtern und trocken in fremdklingenden Worten sagen, die die Sache komplizierter machen, als sie eigentlich ist?

Wenn das alles so wäre, würdest du jetzt vielleicht wissen, dass du all diese Liebe wert bist, dass du es wert bist, gehört zu werden, geliebt und geschätzt, dass du deine Meinung sagen darfst und du dadurch niemanden verlierst. Dass du so sein darfst, wie du bist, weil genau so ist es gut so, und genau so lieben dich die Menschen, die dich lieben, weil sonst wärst du ja nicht du. Lass das alles zu und schau, was passiert. Eine andere Dimension, ein Paralleluniversum, ja, und du kannst den Zugang dazu finden. Ihn öffnen. Hineingehen. Und nie wieder zurückschauen.

[Halle, 18.1.23]

Luftleeres Nichts

Wieder zu viele Bilder gesehen.
Diese Welt, in der alles so schön erscheint,
die nicht ist, nur in Deiner Vorstellung,
tausendfach Eindruck und Erinnerung;
sie ist nicht, was ist,
ist jetzt, hier, atmen,
das kalte Zimmer, Müdigkeit, Langeweile, Angst, der Geschmack von Marzipankugeln im Mund.

Meine Unsicherheit gegenüber anderen,
die vermeintlich keine Zweifel haben,
voll bei sich und in ihrem Element,
ganz sie selbst sind;
ich beneide diese Leute,
fühl mich klein vor ihnen,
werde zu meinem eigenen Schatten,
nicht ich selbst;
wer will schon mit einem Schatten befreundet sein,
hat ja jeder schon seinen eigenen.

Wie kann ich ich sein,
wenn mir der Raum dazu fehlt,
mich selbst zu verwirklichen,
wenn ich nicht weiß,
wo dieser Raum ist;
ich boxe in das luftleere Nichts,
das meine Schreie verschluckt.

Ich bewundere die Menschen,
denen ich ein gesundes Selbstwertgefühl andichte,
die schön sind und attraktiv und cool,
weil sie wissen, wer sie sind
und zu ihren Eigenheiten stehen;
manchmal kann ich das auch,
manchmal vergleiche ich mich noch zu oft,
manchmal lebe ich zu sehr in der Vergangenheit;
Ausgrenzung ist der Tod des Selbstwerts,
(damals war es wirklich unser Tod).

Meine Zeit kommt noch,
sagt meine Liebe und
die Stimme während der Meditation,
und wenn sie kommt, dann richtig.
Jeder lebt in seiner eigenen Zeitspur,
es gibt kein Muster und kein
Wahr oder Falsch,
keinen Zeitplan, der erfüllt werden muss.

Es gibt nur dich, jetzt, atmen,
mehr weißt du nicht und musst du nicht,
Freiheit ist, nicht zu wissen, was kommt, und dann:
Alles ist möglich.

(Halle, 10.10.2022)