Nimm die Maske ab

Atme mal wieder richtig durch.

Erzähl mir, wie es dir geht, aber aufrichtig.

Wir sollten uns viel öfter ohne Masken sehen.

Bilder, Online-Profile, Lebensläufe sind Masken, hinter denen so viel mehr steckt. Von was machen wir denn Bilder? Von den schönen Momenten, um sie zu erinnern. Vielleicht sollten wir auch mal an die schlechten denken, die schweren Zeiten, durch die wir gerade gehen oder gegangen sind. Wir haben bis jetzt überlebt, oder? Oft gar nicht so leicht.

Dann sollten wir uns gegenseitig Komplimente machen, sagen, was wir übereinander denken, uns gegenseitig bestärken. Jede von uns hat ihr Päckchen zu tragen, sagte ich gestern zu einer Freundin.

Hey, meine Bilder, meine Texte mögen vielleicht aussagen, dass es mir gut geht, läuft bei mir, und ja, ich habe „mein Ding“ durchgezogen die letzten Jahre. Was du nicht siehst: Seit bald 1,5 Jahren bin ich schwer krank, kann mein Gehirn kaum mehr benutzen, habe Post Covid und ME/CFS. Ich bin praktisch arbeitsunfähig, kann nur noch im Liegen am Computer sein und das bisschen schaffen, was ich schaffen muss und will. Ich habe so viele Ideen, kann sie aber oft nicht greifen. Manchmal kann ich kaum einen Text aus meinem Buch lesen, wie soll ich Lesungen halten? Ich fühle mich, als würd ich auf der Stelle treten, alle um mich herum heiraten, kriegen oder haben Kinder.

Da offenbart meine Freundin, auch sie habe das Gefühl, zwar habe sie Kinder, aber anderweitig ist nicht viel los bei ihr, hat sie ihren Weg noch nicht gefunden.

Ja, wenn wir uns voreinander offenbaren, wenn wir unsere Masken fallen lassen, sehen wir uns offen ins Gesicht, atmen tief ein, lächeln ein echtes Lächeln, irgendwie erleichtert, denn hey: So schlimm ist das alles nicht, jede in ihrer Geschwindigkeit, es gibt keinen Grund, auf die andere neidisch zu sein. Lasst uns öfter unser wahres Gesicht offenbaren, uns unsere Probleme voreinander offenlegen, das relativiert, das entlastet, alle. Dann können wir uns vielleicht helfen, und sei es nur mit Worten, mit Füreinander-Da-Sein, das ist schon alles, was wir in den meisten Momenten brauchen.

Hey, jemand weiß, wie es dir wirklich geht, kein Theater, keine Show, wie es dir wirklich hinter den Kulissen geht, sei ganz du selbst. In einer Welt, in der wir uns so viel vorspielen, sollten wir vor allem dann Applaus bekommen, wenn wir uns abschminken, die Maskerade beenden, aufrichtig sind. Denn das kostet am meisten Mut, und daher sollten wir es am reichsten belohnen.

Heutzutage, habe ich manchmal das Gefühl, musst du als Frau alles gleichzeitig haben und vor allem unter unseren nicht mehr getragenen Hut bringen: Eine Familie, eine Karriere. Den Haushalt, die Kinder, den Lebenslauf, die Freunde und Bekannten, unser Aussehen. Gerade in einer solch harten Welt, die alles von uns abverlangt, sollten wir nicht auch noch miteinander hart ins Gericht gehen. Gerade in einer solch harten Welt sollten wir miteinander weich sein, aufbauend, ehrlich, verständnisvoll und ermutigend.

Wir müssen und können nicht alles schaffen, aber das, was wir schon geschafft haben und schaffen, ist eh schon so viel.

Umarmen wir uns, zeigen wir uns gegenseitig und auch uns selbst gegenüber Respekt, wir sind stark, ohne Vergleich, einfach nur stark auf unsere Art. Die Märchenstunde ist vorbei.

Ich habe keine Lust mehr auf Maske tragen, da bekomme ich noch weniger Luft als eh schon. Das ist der maskenfreie Zirkel, komm herein und fühl dich frei. Bist du dabei?

[Halle/Saale, 26.06.23]

Kostenlose Schreibübungen – von mir für Euch

Hallo liebe Leute,

ich hatte die letzten zwei Tage wieder etwas mehr (kreative) Energie und damit die Idee umgesetzt, Schreibübungen zum kostenlosen Herunterladen anzubieten. Ihr findet sie auf der Seite „Übungen zum Poetischen Schreiben„. 🙂 Damit gebe ich auch einen kleinen Einblick in meinen Workshop „Poetisches Schreiben“, in dem ich ähnliche Übungen einbaue und viel Wert auf Beobachtung und Perspektivwechsel lege.

Vielleicht bekommt Ihr dabei Lust auf mehr, sei es die Arbeit mit mir oder auch mehr Übungen – ich arbeite ab sofort an einem ganzen „Arbeitsbuch“, mit dem Ihr Euer Schreiben, aber auch Eure Achtsamkeit und Euer Bewusstsein üben könnt. Wie klingt das für Euch? Gebt mir gern Feedback.

Zu den Übungen (der Text steht auch auf der Übungsseite):

Für diese Übungen brauchst Du nur einen ZETTEL, einen STIFT, etwas RUHE und schon kann es LOSGEHEN. Einige davon kannst Du in Deinen ALLTAG einbauen, andere benötigen etwas mehr ZEIT. Einige werden vor allem Deine BEOBACHTUNGSGABE üben, andere auch Dein Schreiben. Ich hoffe, die Übungen haben einen NACHHALTIGEN MEHRWERT für Dich und Deine Umwelt – denn ja, es geht nicht nur um uns selbst: Wer sich mit sich selbst beschäftigt, sollte die anderen nicht vergessen, denn sie sind unser Spiegel, unsere Reflexion. Wer wahrhaft bewusst ist, begegnet seinen Mitmenschen mit Respekt, Mitgefühl, Nachsicht und Offenheit – eben genau so, wie wir es uns für uns selber wünschen.

Liebe Grüße, Eure Lena

Schäm Dich, Europa

Schäm dich, Europa, ich schäm mich für dich. Ich schäme mich so sehr für dich.

Jeder Gefolterte und Versklavte an den Außengrenzen, jeder Tote im Mittelmeer wird uns als Geist heimsuchen.

Schäm dich, deine populistische Politik macht immer noch mehr kaputt, als sie heilt, sie tötet, sie treibt die Menschen noch mehr nach rechts, sie werden ermutigt, denn wer soll sie noch verurteilen?

Schäm dich, diejenigen ertrinken zu lassen oder besser aktiv: zu ertränken, die vor den Auswirkungen deiner Politik und Ausbeutung fliehen!

All das Gelaber über Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Völkerverständigung, und doch lebst du selbst von der Ausbeutung der Natur und Menschen in jenen Ländern, aus denen sie nun vermehrt fliehen. Wer profitiert denn von der Ausbeutung? Jene, die echte Umweltschutzgesetze verhindern.

Warum gibt es immer noch keinen echten Klimaschutz? Weil zu viele Menschen von der Ausbeutung der Erde profitieren. Solange diese damit Geld machen, werden sie alles andere verhindern. Was kümmert sie die brennende Erde, wenn sie ihre Villen auf sicherem Boden haben, wenn sie sich den letzten Rest trinkbares Wasser kaufen, wenn sie mit ihren Jets und Jachten einfach an lebenswertere Orte entfliehen können?

Wann kapieren wir endlich, dass die sich nie einsetzen werden für das Allgemeinwohl? Dass die die Katastrophe noch befeuern – Energie sparen die nicht. Warum sich auch verkleinern, bescheidener werden – nobel geht die Welt zugrunde.

Mit dem Bewusstsein, dass diejenigen, die wirklich eine Veränderung bewirken könnten, dies gar nicht beabsichtigen, vergeht mir der letzte Rest Hoffnung.

Ich glaube, es braucht einen Generalstreik von allen, die nicht zu diesen oberen Prozent gehören. Ein Streik für Menschenrechte, gegen Ausbeutung, für unsere ach so liebe Erde.

Du bist so wunderschön, Welt, bitte verzeih uns unsere Dummheit, unsere Gier, unseren Hass.

Und sie lacht, denn: Wenn wir uns in ein paar Jahren selbst zerstört haben, wird sie noch immer bestehen. So viele Lebewesen sah sie kommen und gehen, was sind diese kleinen Würmlein schon. Sie halten sich für Gott, glauben die Wahrheit gepachtet zu haben und doch – wissen sie nichts. Wenn sie es wüssten, würden sie sich nicht gegenseitig ins Elend stürzen, und das für ein paar lächerliche Besitztümer und sogenannte „Macht“.

Sie lacht, denn was ist das schon im Gegensatz zu ihren Kräften. Immer mal wieder setzt sie diese ein, um den Menschlein wieder ein bisschen Respekt und Demut beizubringen. Lernen tun sie’s eh nicht. Auch wenn alle wissen, dass sich etwas ändern müsste – der Mensch lernt erst, wenn er zum 1000. Mal niedergeschlagen wurde, und selbst da hält er sich immer noch für schlauer.

Sie seufzt und nimmt wieder ein paar tausend Menschlein in sich auf, zeigt ihnen den Meeresboden, ihre schöne Unterwasserwelt. Demnächst wird sie ein paar davon nach oben spülen, an jene Strände, an denen diejenigen, die von den Toten profitieren, so gerne Urlaub machen. Wohl bekomm’s, euer sogenannter „Wohlstand“, möget ihr an ihm ersticken so wie ich.

[Halle, 17.06.2023]

Und was danach kommt

Stell dir vor, wir gerieten an die Grenzen unseres Denkens. Was liegt dahinter? Wer kontrolliert diese Grenzen? Sind sie echt oder so wie Landesgrenzen, von irgendwem in der Vergangenheit beinahe willkürlich über die Landkarte gezogen?
Wenn mein Denken bis hierhin reicht, folgt danach dein Denken? Grenzt unser aller Denken aneinander wie Puzzleteile? […]

Grenzen ziehen Striche zwischen Du und Ich, sie gaukeln Sicherheit vor, bis hierhin und nicht weiter. Das Fremde auf der anderen Seite macht Angst, denn was wir nicht kennen, das Unbekannte, hat stets diese Wirkung. Was, wenn wir uns im Zwischenraum zwischen zwei Grenzen, im Niemandsland treffen, wir öffnen unsere Türen und treten einen Schritt hinaus. Wir beide verlassen das Bekannte, wir beide wissen nicht, was der jeweils andere hinter seinen Mauern verbirgt. Welche Geschichten wachsen darin? Welche hat er dort vergraben? Erkennen wir unsere Unkenntnis an, können wir von vorne beginnen. Wo ist vorne? Der Anfang, bevor wir jegliche Grenzen zogen: unser Menschsein.


Der Anfang und das Ende aus meinem Text für eine Literaturzeitschrift, deren Thema des kommenden Heftes sein wird: Wirklich/Unwirklich – Über die Grenzen der Wahrnehmung und des Denkens. Die letzten Wochen habe ich an diesem und an einem anderen Text gearbeitet, immer mal wieder, Stück für Stück, meine Konzentration reicht derzeit für drei bis vier Sätze, wenn überhaupt. Um mich mal wieder zu melden und für den kleinen Denkanstoß/Inspiration, bekommt ihr hier ein paar Zeilen geschenkt.

Mein Brainfog und meine Fatigue ist z.Z. wieder heftig, ich weiß gar nicht, was der Auslöser war. Die paar guten Gedanken, die ich ab und zu noch habe, lassen sich nicht mehr greifen, und wenn doch, entfleuchen sie sehr schnell, sind sie zu glitschig, um sie festzuhalten. Es ist echt traurig, ich bin echt traurig, weil ich nicht glauben kann und will, dass das jetzt für immer so bleibt. Mit Post Covid kommt auch ME/CFS einher, und leider sieht das bei mir ganz danach aus. Ich gebe mich zwar die meiste Zeit optimistisch und positiv, aber ich verdränge auch, tue oft so, als wär alles okay, weil kann ja auch nicht die ganze Zeit klagen, und die Opferrolle liegt mir sehr fern. So, und jetzt muss ich mich hinlegen (der einzige Zustand, in dem mir nicht alles wehtut nach gewisser Zeit), bin müde geworden vom Schreiben. Wie konnte ich mal eine ganze Doktorarbeit schreiben? Jetzt verstehe ich oft nicht mal mehr eine Seite davon…

[Halle, 9.6.23]