Das Rad dreht sich weiter

Wir haben es satt, zu funktionieren. Entspannen, meditieren, alles, um weiterhin psychisch und physisch funktionieren zu können, damit das Rad sich weiterdreht, die große Mühle, unter der wir am Ende alle landen, während sich die Müllersleut hinter schützendem Fenster auf bequemen Couchen die Bäuche halten vor lachen.

Nur weiter so, weiter so, entspannt euch, nutzt alle Meditationstechniken, die es so gibt, Hauptsache, ihr dreht weiter am Rad. Gott ist tot, genauso wie euer Glaube an ihn und „seine“ Institutionen, was glaubt ihr, wer hat ihn umgebracht? Solange ihr weiterhin an diesen einen Gott glaubt, dem wir so viele Namen gegeben haben, so unterschiedliche Gestalten, ist alles gut, und ihr haltet euch für Atheisten, ha!

Wir haben es satt zu funktionieren, wollen einfach loslassen, doch wenn sich die Mühle weiter dreht, werden wir zermalmt, zu Matsch, von den anderen in den Boden getreten, mit dem wir bald eins sind, niemand interessiert sich mehr für uns, sie steigen auf und über uns, blicken nur nach vorne und oben, die goldene Möhre über den Köpfen. Niemand interessiert sich für die da unten, sie haben sogar Angst, zu genau hinzusehen, wer weiß denn schon, was sie dann sehen könnten? Sich selbst? Ihre Zukunft? Die Folgen, Fehler, Fatalitäten ihres Handelns? Lieber mit Blick auf den glitzernden Lohn das Rad am Laufen halten, immer weiter, immer schneller, immer besser, irgendwann kommen wir doch bestimmt dorthin, und wenn wir uns ganz besonders anstrengen, vielleicht ja sogar dort hinauf, in die warme Stube? Lachen ertönt von drinnen.

Wir haben es satt zu funktionieren, euer Brot zu essen, eure Spiele zu spielen, auf unsere geistige und körperliche Gesundheit zu achten, wozu? Um nicht systemirrelevant zu werden? Wer bestimmt, wer relevant ist und wer in den Restmüll kann? Wie sollen wir angesichts der Zustände der Welt, angesichts der Zerstörung, der Gewalt, die der Mensch seinesgleichen antut, nicht vollkommen unseren Verstand verlieren?

Wir müssen funktionieren, es hilft nichts, wir müssen überleben. Wir dürfen nicht unters Rad kommen, wollen gleichzeitig aber nicht nur ein Rad im Getriebe ihres Luxusautos sein. Wer soll sich in diesem Bewusstsein nicht völlig zerreißen?

(Halle, das erste Mal am 12.03.21 veröffentlicht, dann wieder als Entwurf gespeichert, aber heute, ein Jahr später, ist es so aktuell wie nie für mich)

Veröffentlicht von

lenkasause

Die Worte flossen aus meinen Fingern, ich verstehe sie erst jetzt...

7 Gedanken zu „Das Rad dreht sich weiter“

  1. Hallo Lena, da steckt ein Punkt drin, über den ich neulich erst mit meinem Chef sprach: Wann handelt man nach Schema F und wann sollte man sich nicht davon stören lassen und einfach sein Ding machen. Ich stellte dabei fest, dass man, um zu überleben, häufig mitspielen muss, dummerweise bestätigt man dadurch das falsche System und fördert es sogar. Mein Chef war der Meinung, dass man die Gefahr nicht scheuen darf und kämpfen muss, selbst wenn man dabei auch mal verliert.

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    1. Oh: vielen Dank für den Text, er hat mir gerade sehr gut getan und mehr daran erinnert, dass ich nicht immer mitspielen sollte, nur weil es erwartet wird, ich es aber für sinnlos oder gar falsch erachte.

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  2. Spielt man mit, soweit man muss, um seine bloße Existenz zu sichern, obwohl man mit so vielem nicht konform geht, obwohl man längst nicht mehr will und kann, fühlt man sich sehr einsam und ist es wohl auch. – Spielt man nicht mehr mit, ist man genauso einsam, vor allem dann, wenn man sein eigenes Denken und seine eigenen Werte, die so gar nicht mehr zu dem passen, was „erwartet“ wird, was „richtig“ ist, weiter pflegt, weil man halt nicht einfach gleichgültig zu sein vermag. – Mit „Leben“ hat beides nicht viel zu tun. Eben, weil man so zerrissen ist und wird.

    Du hast mir aus dem Herzen geschrieben, liebe Lena! Ich danke Dir für das Teilen dieser Gedanken ganz besonders.

    Sehr freundliche und liebe Grüße an Dich! 💚🕊

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      1. Das denke ich auch manchmal. Aber dann bekomme ich auch gleich wieder Bedenken. Es würden sich wohl allzu schnell eine Menge Trittbrettfahrer finden, die eine Plattform für ihre wirren Theorien, Ideologien, ihren Egoismus und ihre Heuchelei nur allzu gern ge- und missbrauchen würden. – Die Welten, die großen, wie die kleinen, sind so furchtbar komplex und unübersichtlich geworden …

        Es ist schön, dass ich hier jemandem schreiben darf, der mit mir offensichtlich ein bisschen „verwandt“ ist. 😘 – Dankeschön und nochmals liebe Grüße! 🙂

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      2. Ja, das befürcht ich auch, da gerät man mittlerweile schnell in eine Ecke, in die man nie wollte. Aber das muss auch anders gehen, oder? Kann ja auch nicht sein, dass wir keine Kritik mehr äußern können, ohne verdächtigt zu werden, zu „denen“ zu gehören?! Ist natürlich auch praktisch für diejenigen, die man kritisiert, wenn der öffentliche Diskurs nur in zwei Seiten, in Schwarz und Weiß geteilt ist, da weiß man schneller, wer die „Guten“ und wer die „Bösen“ sind 😉

        Find ich auch, tut gut 🙏

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