Bewusster Abschied

Ein letzter Kuss. Vertraute Lippen. 
Ein letztes Mal die Hand der geliebten Frau halten,
ein letztes Mal an ihrem Hals, ihren Haaren riechen.
Sie ein letztes Mal umarmen.
Ihr ein letztes Mal in die Augen sehen.
„Schau mich nicht an, sonst muss ich weinen“, sagt er.

Ein erstes Mal Gefühle zeigen.
Ein erstes Mal vor Herzschmerz fast sterben.
Vor Sehnsucht nach ihr.
Vor Sie-jetzt-schon-vermissen.
Sie ein letztes Mal nach Hause bringen.
Ihr die Decke mitgeben, unter der ihr euch immer aneinander gekuschelt habt.

Ein letztes Mal gute Nacht sagen, ein letztes Mal aus der Wohnung gehen.
Ihm den Schlüssel geben.
Die Tür hinter mir schließen.
Die vielen Erinnerungen hinter mir lassen.
Gemischte Gefühle.
Kurz denken: Mache ich doch einen Fehler?
Wir lieben uns doch offensichtlich noch?
Dann denken: Nein, ist schon richtig so,
denk' an die vielen Male, die zu viel waren.
Und diejenigen, die viel zu wenig waren.

Jetzt nur nicht sentimental werden.

(Innerer) Frieden ist oberstes Ziel, und den hattet ihr nie.
Fast nie.
Nur heute vielleicht.
Wenn der Krieg schon verloren ist, wozu noch kämpfen?
Am Ende, wenn alles andere wegfällt,
bleibt nur die Liebe übrig,
und ist das nicht der schönste Abschied?

[Halle, 18.12.2023]

Manche Gedichte leben

Manche Gedichte leben 
in meinem Herzen nur,
dort wohnen sie
für immer.

Sie sind unaussprechlich,
nicht in Worte zu fassen,
jeder Versuch raubte ihnen
ihren Zauber.

Verstehen lassen sie sich
nicht, nur fühlen,
und warum also
ausformulieren?

Allein die Poesie vermag
über Bilder auszudrücken,
was sich nicht einfangen lässt, was,
wenn doch in Worten gefangen,
immer nur ein Abglanz
der Wahrheit ist.
[Halle, 1.5.23]

Mut zur Poesie

Wir alle können schreiben. Wir alle tragen Poesie in uns, wir müssen sie nur zulassen. Müssen uns nur trauen, die eigenen inneren Bilder in Worte zu fassen. Wir alle haben etwas zu sagen, uns mitzuteilen, wir Menschen sind kreative Wesen.

Wenn wir das, was in unserem Herzen ist, nach außen durch unsere Finger aufs Papier fließen lassen, wenn wir uns trauen, uns diesen inneren Bildern und Gefühlen zu stellen, wird künstliche Intelligenz nie eine wahre Konkurrenz für uns sein. Wenn wir nach meiner Definition von Poesie gehen, d.h. Poesie als Sprache des Herzens, der Seele, und Kunst als Mittel, das diese innere Poesie veräußert, müssen wir uns darum keine Gedanken machen.

In meinem letzten, von mir angeleiteten Workshop habe ich erkannt, dass ein Hindernis für viele das Denken ist. Einer meiner Schreibtipps lautet, dass wir aufhören müssen zu denken, den Verstand zu benutzen, und in den Körper, ins Herz gehen müssen. Das ist erstmal schwierig, wenn man es noch nicht gewohnt ist, und genau da setze ich aber mit meiner Theorie und vor allem den Übungen an.

Mein Ziel ist es übrigens, jeder Person in meinem Workshop (und freilich auch hier in meinem Blog) zu zeigen, dass sie schreiben kann; dabei möchte ich weg von jeder Bewertung, jedem Vergleich, der massiv am Schreiben hindert.

Ich will zeigen, dass wir alle unsere eigene Welt, unser eigenes Stück Kosmos in uns tragen, und mit dieser Einzigartigkeit immer etwas zur großen Erzählung dieser Welt beizutragen haben.

Schreiben hilft, mit uns und unserer Umwelt achtsamer umzugehen, bewusster zu werden, auch für die eigenen Gefühle und also sich selbst; Schreiben hilft gegen das Chaos im Kopf, wir lernen dabei unsere Stimme kennen und schätzen.

Wenn wir alle ein Stück Kosmos in uns tragen, bleibt nur die Schlussfolgerung: Niemand kann sich selbst und damit auch andere zu 100 Prozent kennen, niemand kann andere für den klitzekleinen Teil verurteilen, den sie uns zeigen, und das mit dem Vergleichen ist dann auch überflüssig.

Schön, oder? Bitte weitersagen!

[Halle, 11.3.2023]

Poesie

Poetisch ist jedes Kunstwerk, das mit ganzem Herzen, mit ganzer Seele entstand und daher authentisch ist. Dieses Herz, diese Seele des Künstlers ist des Kunstwerks Essenz, die mich berührt, bewegt, inspiriert.

Poesie ist die Übertragung des Urmenschlichen, ist die Schönheit des Augenblicks, ist die Liebe, die sich in jedem Moment, in der Natur, zwischen Menschen offenbart.

Kunst ist das Medium, also das, was zwischen zwei Menschen steht und vermittelt. Sie überträgt das Innerste des Künstlers über sein Werk auf den Betrachter, Leser.

Poesie ist die Verbindung, die immer währt, die die Kunst aber oft erst offenlegt.


Die Poesie ist die Aufhebung der Beschränkungen des Lebens.

Franz Grillparzer

Stille ist der Schlüssel zur Poesie.

Klaus Ender

Echte Poesie kann kommunizieren, bevor sie verstanden wird. Der Sinn wird zuerst von der Seele, dann vom Verstand erfasst.

George Eliot

Theorie zu dem Workshop „Poetisch Schreiben“, den ich gerade entwickele (s. Seite). Darin soll es u.a. um Achtsamkeit gehen, um Bewusstsein, um die Verbindung zu sich selbst. Es geht mir nicht nur um schöne Texte. Es geht mir v.a. darum, dass wir uns mit unserem Urmenschlichen verbinden, also mit dem, was uns menschlich macht, und darüber auch das Menschsein anderer erkennen. Hochspannend, welche Texte dabei entstehen. Was ist Euer Verständnis von „Poesie“? Wann ist etwas für Euch „poetisch“?

Sehnsucht nach Ungreifbarem

Eine Sehnsucht, 
die dich immer weitergehen,
nie stillstehen lässt;
an der du bisweilen verzweifelst,
doch jeder Schritt in ihre Richtung erfüllt dich
wie nichts auf der Welt.

Sie ist still, lautlos gar,
und übertönt doch alles.
Weil dein Außen oft alles einnimmt, vergisst sie dein Kopf, dein Herz aber nie.

Wie etwas finden, von dem du nur weißt, aber nicht, was es ist?
Das du nicht suchen kannst, sondern das dich findet, aber nicht, wenn du stehen bleibst?
Das kein Ende hat, nur das deine,
und das für jeden offenbar und doch unsichtbar ist?

(Halle, 12.06.22; Gedanken zu meinem literarischen Projekt „Die Unterirdischen Seen“)

Ich hab die ganze Nacht von mir geträumt

 Ich liebe Dich  
 Es warst immer nur Du, 
 in jedem, den ich jemals geliebt,  
 ein Teil von Dir.   
 
 Wie Schleier von den Augen  
 fiel mir die Erkenntnis:   
 Das alles bist Du.  
 Warum nur dann  
 liebst Du mich nicht
 auf gebührende Weise?  
 
 Die vielen Stimmen in meinem Kopf,  
 schreien durcheinander:
 Das hast Du aber anders gelernt!  
 Meine Augen blicken in Deine,  
 endlich,
 so tief und unergründlich. 
  
 Ich lege den Spiegel weg und weine bitterlich. 
 Wie befreiend. 

  
   
(Halle, 16.09.2019)