Finderglück

Ich sei sehr leistungsorientiert, so mein Therapeut. Oh Gott, genau das, was ich nicht mag, was ich kritisiere an dieser Gesellschaft. Gilt auch hier mal wieder, dass man oft genau das am anderen (in diesem Fall der Gesellschaft) nicht mag, was man an sich selbst nicht mag?

Es stimmt, seit ich wegen Long Covid nicht mehr „funktioniere“, seit ich keine „Leistung erbringen“ kann, seitdem geht es mir psychisch immer schlechter. Wer bin ich, wenn ich nicht mehr arbeiten kann? Wenn ich nicht mehr in dem Maße denken kann, wie ich es vorher tat? Man bedenke, ich habe eine Doktorarbeit geschrieben und es hat mir sehr großen Spaß gemacht, Lösungen für theoretische Probleme zu suchen und zu finden. Gerade kann ich das nicht mehr, und es plagt mich das schlechte Gewissen. Alle anderen arbeiten, tragen etwas zur Gesellschaft bei, verdienen ihr Geld selbst, und ich? Bin unnütz, zu nichts zu gebrauchen, weiß nicht mal, wer ich noch bin. Wirklich?

Dieser Zustand ist eigentlich sehr meditativ, und ich könnte viel lernen. Ein Schritt nach dem anderen, eine Sache nach der anderen, ich stecke meine Aufmerksamkeit in das Essen vor mir, in den Schritt vor mir, in den Menschen vor mir. Nichts anderes zählt, nur der Moment, der meine ganze Aufmerksamkeit hat. Was danach kommt, weiß ich nicht, und was davor war, habe ich schon vergessen, aber es spielt auch keine Rolle mehr. Grundsätzlich bin ich mir dessen ja bewusst. Aber an der Umsetzung haperts, denn wer hat dafür wirklich Zeit? Die Gesellschaft ist zu vielschichtig, alles ist zu komplex und viel, als dass wir unser Augenmerk nur auf eine Sache nach der anderen richten dürften. Oder?

War es Osho oder Marc Aurel, der gesagt hat, früher waren wir ein Stein oder ein Baum und jetzt sind wir ganz oben angelangt, wir sind ein Mensch und doch unzufrieden?

Warum sind wir ständig so unzufrieden mit allem? So auf der Suche, unruhig, immer am Machen und Tun, alles muss einen Sinn haben, wir brauchen ein Ziel, wir dürfen nichts Sinnloses machen. Wir brauchen einen Lebenssinn, ein Ziel, auf das wir zuarbeiten, das kann auch einfach das Glück sein, das vielzitierte, das uns doch nur eingeredet wird, damit wir Konsumieren und Funktionieren und in all dem Suchen das eigentliche Glück übersehen. Weil wir vorbeilaufen, obwohl es doch schon neben uns liegt, weil wir ihm nicht die Tür öffnen, obwohl es schon die ganze Zeit anklopft.

Nein, nein, es kann so einfach nicht sein, wir müssen, um wahrhaft glücklich zu sein, an uns arbeiten, wir müssen dafür das tun, oder dies, wir müssen dorthin gehen, das dort kaufen, den dort finden, wir müssenmüssenmüssen, und so sind wir unser ganzes Leben in Unrast, immer weiterweiter, Stillstand ist der Tod, war das nicht so? Still stehen bleiben, aufmerksam die Gegenwart fühlen, das ist das Leben. Es geht sowieso weiter, irgendwas ist immer, wirklich still ist das Leben selbst nie.

Aber wir, wir sollten mal still werden, stehen bleiben, aufhören, nach außen und immer weiter zu laufen. Ist doch schön hier. Welch Wunder wir doch sind. Im Guten wie im Schlechten. Bleiben wir stehen, hört die Welt nicht auf, sich zu drehen. Wir nehmen nur endlich wahr, und ach, sieh mal, da liegt ja unser Glück, fast wär ich draufgetreten. Ich hebs auf, kann ja doch nicht so liegenbleiben. Finderglück. Ich lächele – und es lächelt zurück.

[Essenbach, 22.12.22]

Ein Mensch, yippie

Wer bin ich ohne meine Fähigkeit zu denken? Wenn ich nichts „leisten“, nicht „produktiv“ sein, nicht „funktionieren“ kann? Wer bin ich dann? Traurig, dass ich das so sehr verinnerlicht habe, obwohl ich diese „Leistungsgesellschaft“ doch so kritisiere (tja, die Welt ist ein Spiegel, unbewusst missfiel mir wohl diese Seite an mir selbst)…

Long Covid hat mir das genommen, wovon ich dachte, dass es mich ausmacht: Kreativität, Denken, Schreiben, Lesen, Organisation, Zeitmanagement (meine Stärken laut Lebenslauf). Wer bin ich ohne sie?

Ich bin ein Mensch, yippie. Ich atme, sehe, rieche, schmecke, höre, fühle. Ich liebe. Ein Wunder. Was wir erschaffen haben, was wir mit eigenen Händen bauen und was die Natur uns gegeben hat. Meine Träume, ein eigenes Reich, ein Ausflug in andere Dimensionen. Wunder, für selbstverständlich genommen, lästig. Zu viel des Guten, kein Maß gefunden, unsere Gabe grenzenlos wird unser (aller?) Unglück.

Wie meditativ, achtsam jeden Schritt zu gehen, weil sonst zu schnell und viel und ungut. Öftermaliges Hinterfragen dieser Gesellschaft, in der „langsam“ nicht geht und gleichzeitiges Denken an 1000 Dinge unabdingbar ist. Annehmen dieses Zustandes, in dem ich weniger denken und mich sorgen kann als sonst – auch nicht schlecht.

So, Konzentration aufgebraucht, bitte weiterdenken für mich.

Brief aus der Zukunft (II)

Ich habe kürzlich von den 20er Jahren gelesen. Keine Zeit, in der ich gern gelebt hätte.

Die ganze Welt war entflammt, die Menschen, vor lauter Möglichkeiten und andauerndem Informationsfluss überfordert und auf der Suche nach Halt.

Den fanden sie an unterschiedlichsten Stellen.

Die einen folgten am liebsten den Erzählungen der Rückwärtsgewandten, die die Vergangenheit glorifizierten und einfache Lösungen für eine komplexe Zeit versprachen. Dass es zwar die einfachste Sache ist, alte Ideen zu wiederholen, weil man sich nichts Neues überlegen muss, aber dass man dabei vergisst, dass diese alten Geschichten die Welt genau dahin gebracht hatten, wo sie damals war, muss ich gar nicht weiter ausführen. Zu oft haben wir ja schon gesehen, wohin es führte, wenn Vergangenheitsfetischisten an der Macht waren. Deren Erzählungen werden außerdem auf den Rücken anderer ausgetragen. Keine gute Basis: Der Rücken hält zwar viel aus, bricht aber bei zu viel Belastung.

Manche versuchten sich an der glorifizierten Gegenwart festzuhalten, sie wollten alles so belassen, wie es war, was ja doch nie möglich ist und den eigentlichen Zustand der Welt ausblendet. Sie zogen sich ins Private zurück, einer inneren Emigration gleich, und wurden ganz und gar unpolitisch. Haus, Job, Auto – das waren die einzigen Dinge, auf die sie (vermeintlichen) Einfluss hatten und die es zu schützen galt. Und wehe, etwas bedrohte die materielle Dreifaltigkeit! Doch auch dann wandten sich diese Menschen nicht gegen den eigentlichen Auslöser, sondern traten nach unten, gegen die, die am nächsten, am sichtbarsten und leider auch am unschuldigsten waren.

Wieder andere gingen in die entgegengesetzte Richtung und zerlegten jede Art von Identität in ihre Einzelteile. Sie vergaßen darüber den Menschen in seiner Ganzheit zu sehen, be- und verurteilten ihn nach den Worten, die er wählte, nach der Meinung, die er hatte, oder nach dem Geschlecht, für das niemand auf der ganzen Welt jemals etwas konnte.

Durch diese kritische Betrachtung fühlten sie sich moralisch überlegen all jenen gegenüber, die dazu nicht im Stande waren oder andere Sorgen hatten. Dieses Zusammenwürfeln der Identitätspuzzleteile hatte zur Folge, dass sich die Menschen gegenseitig zerstritten und in Grüppchen teilten, uneins und jeder für sich; sie wurden noch unglücklicher und fielen anderen Heilsversprechen zum Opfer.

Diejenigen, die sich eigentlich die Sozialen nannten, waren mit Identitätskleinklein beschäftigt und hatten über diese elitären Diskussionen (die man sich schließlich leisten können muss) vergessen, für was es sich wirklich lohnte zu kämpfen.

So manche Kräfte wussten diese Verwirrung und Zerstückelung der Gesellschaften zu nutzen, ja, verstärkten diese noch. Wer sich vor allem um sich selbst kümmert, wer nach unten hasst, wer mit Überleben oder intellektuellem Kleinklein beschäftigt ist, kann das Große Ganze nicht sehen. Und während die Wenigen immer reicher wurden, wussten die Vielen nicht, woher die nächste Mahlzeit kommen sollte, und sie gaben sich selbst oder anderen in derselben Lage die Schuld. Ganz kommod für die Wenigen, die von der Zerstrittenheit der Vielen profitierten und daher daran interessiert waren, diese Feuer, die alle verbrannten, weiter am Leben zu halten.

Mir scheint, weil viele Leute damals nicht mehr wussten, wer sie sind, und weil eine größere Gesamterzählung fehlte, an der sie sich festhalten konnten und die sich nicht nur von der Angst der Menschen ernährte wie Schwarz-Weiß-Erzählungen, war Europa in viele kleine Einzelerzählungen geteilt, getrennt. Wie soll etwas gemeinsam erschaffen werden, wenn niemand weiß, was „gemeinsam“ eigentlich heißt?

Im nächsten Brief erzähle ich Euch, was in meiner Gegenwart anders als damals ist.

Für heute aber verbleibe ich mit Küsschen und liebsten Grüßen

Eure Lenka Lewka

Die Patientin

Was für einen seltsamen, wunderschönen Traum ich heute hatte. Alles war anders, beängstigend, da wir an unseren jetzigen Zustand gewohnt sind.

Wieso fällt es uns so leicht, uns vorzustellen, wie alles immer nur schlimmer wird? Wir denken: Ach, ist doch alles in Ordnung, so wie es ist, uns geht‘s doch gut. Ja, so gut, dass wir eben nicht ins Krankenhaus müssen. Aber eigentlich krankt es an allem, zu unspezifisch für jeden Arzt, denn wo anfangen?

Da es uns gut geht, kann es ja nur schlimmer werden, oder?

Die meisten der inneren Organe sind schon lange krank, aber sie funktionieren noch in unserem Sinne. Lange haben wir nichts davon bemerkt, weil es sich nicht an der Oberfläche, unserer Haut, gezeigt hat. Doch immer mehr Irritationen tauchen in letzter Zeit auf, unheilbar, weil tiefere Ursachen. Bisher lassen sie sich kurzfristig überdecken, aber wie lange noch? Machen wir weiter wie bisher, bis wir von innen abgestorben und nicht mehr zu retten sind?

Jahrelang hat man uns eingeredet, dass wir uns alles nur einbilden, dass genau das ein gesunder Zustand ist. Weil wir Jahre, ja Jahrhunderte lang mit der Behandlung gewartet haben, zwickt und kneift es nun an immer mehr Stellen, der Verfall ist nicht mehr aufzuhalten. Oder?

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Wir müssen mehr über Utopien nachdenken. Wie könnte eine bessere Welt in Zukunft aussehen?

Träumen ist wichtig.

Wer nicht weiß, wohin er gehen will, bleibt stehen, verirrt sich. Bewegungen sind nur möglich, wenn man Menschen unter einer gemeinsamen Hoffnung vereint, wenn man ein Ziel vorgibt, in dessen Richtung zu gehen sich lohnt.

Träumt mit mir!

In nächster Zeit folgen hier weitere Texte zum Thema Utopie – Wie könnte unsere Welt aussehen?

Das Rad dreht sich weiter

Wir haben es satt, zu funktionieren. Entspannen, meditieren, alles, um weiterhin psychisch und physisch funktionieren zu können, damit das Rad sich weiterdreht, die große Mühle, unter der wir am Ende alle landen, während sich die Müllersleut hinter schützendem Fenster auf bequemen Couchen die Bäuche halten vor lachen.

Nur weiter so, weiter so, entspannt euch, nutzt alle Meditationstechniken, die es so gibt, Hauptsache, ihr dreht weiter am Rad. Gott ist tot, genauso wie euer Glaube an ihn und „seine“ Institutionen, was glaubt ihr, wer hat ihn umgebracht? Solange ihr weiterhin an diesen einen Gott glaubt, dem wir so viele Namen gegeben haben, so unterschiedliche Gestalten, ist alles gut, und ihr haltet euch für Atheisten, ha!

Wir haben es satt zu funktionieren, wollen einfach loslassen, doch wenn sich die Mühle weiter dreht, werden wir zermalmt, zu Matsch, von den anderen in den Boden getreten, mit dem wir bald eins sind, niemand interessiert sich mehr für uns, sie steigen auf und über uns, blicken nur nach vorne und oben, die goldene Möhre über den Köpfen. Niemand interessiert sich für die da unten, sie haben sogar Angst, zu genau hinzusehen, wer weiß denn schon, was sie dann sehen könnten? Sich selbst? Ihre Zukunft? Die Folgen, Fehler, Fatalitäten ihres Handelns? Lieber mit Blick auf den glitzernden Lohn das Rad am Laufen halten, immer weiter, immer schneller, immer besser, irgendwann kommen wir doch bestimmt dorthin, und wenn wir uns ganz besonders anstrengen, vielleicht ja sogar dort hinauf, in die warme Stube? Lachen ertönt von drinnen.

Wir haben es satt zu funktionieren, euer Brot zu essen, eure Spiele zu spielen, auf unsere geistige und körperliche Gesundheit zu achten, wozu? Um nicht systemirrelevant zu werden? Wer bestimmt, wer relevant ist und wer in den Restmüll kann? Wie sollen wir angesichts der Zustände der Welt, angesichts der Zerstörung, der Gewalt, die der Mensch seinesgleichen antut, nicht vollkommen unseren Verstand verlieren?

Wir müssen funktionieren, es hilft nichts, wir müssen überleben. Wir dürfen nicht unters Rad kommen, wollen gleichzeitig aber nicht nur ein Rad im Getriebe ihres Luxusautos sein. Wer soll sich in diesem Bewusstsein nicht völlig zerreißen?

(Halle, das erste Mal am 12.03.21 veröffentlicht, dann wieder als Entwurf gespeichert, aber heute, ein Jahr später, ist es so aktuell wie nie für mich)

Brutal brillantes Bild

Warum gerade alle so von „Squid Game“ fasziniert sind? Weil sie tief drinnen wissen, dass diese fiktiven Bilder ein perfektes Bild unserer Welt vermitteln.

Die Reichsten der Reichen spielen mit uns Spiele, sie versprechen demjenigen ewigen Reichtum, der dafür Opfer bringt. Für richtigen Reichtum muss man Opfer bringen, blutige, und wer zu nett ist, der kommt nicht weit. Auf dem Weg zum Jackpot, zum Sparschwein voller Geld, verlieren sich die meisten selbst, wie auch sonst, wenn man den besten Freund verraten muss?

Die meisten Menschen werden immer ärmer, und die wenigen dort oben langweilen sich und wetten auf die Toten. Die in den grünen Anzügen sind die Spielfiguren, doch das Beispiel des Polizisten zeigt, dass auch die Soldaten, also diejenigen, die die Grünen erschießen und verbrennen müssen, ebenfalls Gefangene sind, die abends in ihre Zellen zurückkehren. Ein elender Job wie jeder andere, bei dem getötet wird, wer nicht folgt oder zu neugierig ist.

Einige wenige nutzen ihre vermeintliche Position der Macht, sie machen aus ihrer Lage das Beste und weiden die Opfer, die sowieso schon tot sind, aus, verkaufen ihre Organe. Bei jeder grausamen Aktion gibt es Menschen, die diese zu ihrem Vorteil zu nutzen wissen und sich an ihr bereichern. Kann man es ihnen wirklich verübeln?

Schwer erträglich ist die radikale, blutige Grausamkeit, das Gemetzel, das nichts verschönern oder verdecken will. So weh das Zusehen tut — es ist nur stringent, dies alles so zu zeigen.

Allerdings frage ich mich, warum manche Eltern dies ihre Kinder sehen lassen. Wäre es nicht so blutig und brutal und würden die Kinder die Metapher verstehen und daraufhin revolutionäre Gedanken entwickeln – bitte, alle sollten es dann sehen. Aber es fließt nun mal literweise Blut, man sieht Innereien und ständig werden Menschen erschossen — lasst also die Kinder Kinder sein, sie sollen noch von einer besseren, heilen Welt träumen können. Vielleicht helfen ihnen diese Traumbilder irgendwann tatsächlich, eine bessere Welt aufzubauen, denn früher oder später lernen sie die harte Realität nun mal kennen. Aber doch bitte nicht durch so eine Serie…

Zu viel Konjunktiv

Es ist frustrierend
beobachten zu müssen,
wie „die da oben“ agieren
gemäß dem Motto:
„nach uns die Sintflut“.

Ich erlebe so viel Verständnis,
Engagement, Solidarität, Toleranz,
Klugheit, Offenheit
unter uns Jungen.

Ach wie schön wär' die Welt,
wenn wir sie regierten.

Oder würden wir dann auch korrupt,
blind vor Ehrgeiz und Gier,
nur noch an die nächste Wahl denkend?

Alle Ideale über Bord werfend,
Geld und Macht macht geil,
keinen Gedanken mehr an diejenigen
verschwendend, denen es nicht so
gut geht wie uns.

Wer noch denkt, er kann mal
so wie unsere Eltern leben,
hat den Blick für die Realität verloren.
Es wird nie mehr so werden wie für die,
die unsere Chefinnen und Chefs sind,
die wir jetzt wählen müssen.

So viel Engagement, so viel Aktivismus,
und doch so wenig Hoffnung.
Die wächst in mir nur, wenn ich euch seh’,
unentwegt auf die Straße gehend,
euer Kampfgeist unberührt.

Warum kämpft ihr nicht für uns,
mit uns für eine Erde, auf der auch eure Enkel noch leben können?
Wer hat euch eigentlich erlaubt,
sich so charakterlos ungeniert
an die Spitze zu stellen,
hat euch denn niemand Demut und Bescheidenheit gelehrt?
Verliert man diese wertvollen Eigenschaften,
einmal den süßen Geschmack der Macht gekostet?

Ich träume von einer Welt,
in der „die da oben“ erkennen,
wieviel mehr Spaß es macht
anderen zu helfen
als nur sich selbst.




(Halle, 13.09.2021)

Wirbelsturm

Die alten Erzählungen haben ausgedient. Sie wissen es schon und halten sich deshalb mit aller Kraft an den Menschen fest.

Die alten Erzählungen haben Jahrhunderte überlebt, was kann daran also schlecht sein?

Das Alte zerbröckelt, Zeit für Neues.

Wir haben sie durchschaut, sie machen uns nichts mehr vor.

Die verkrusteten, starren Strukturen aufzubrechen, kostet viel Kraft, es ist die Herausforderung unserer Zeit. Menschen haben alle paar Jahrhunderte ihr Denken überdacht, exakt in einem solchen Wirbelsturm befinden wir uns gerade.

Nach dem Unwetter werden wir aufräumen, für neue Ordnung sorgen müssen, denn alles, was dem Sturm nicht standhalten konnte, was gefallen ist oder ausgerissen wurde, muss beiseite geschafft werden.

Die Luft wird frischer, reiner, nicht mehr abgestanden sein, endlich wieder tief einatmen, endlich wieder klare Sicht. Dann werden wir aufstehen, den Staub und Dreck aus unseren Herzen, Köpfen und Klamotten klopfen und zusammen etwas aufbauen, das dem nächsten Sturm standhält.