Doppelter Boden (I)

Ich wohnte noch nicht lange hier.

Dementsprechend sah es auch aus. Die Wohnung war ganz oben im Haus, und sie hatte einen doppelten Boden, was für diese Geschichte noch eine wichtige Rolle spielen sollte.

Eines Tages besuchten mich meine alten Mitbewohner, die neugierig waren, wo ihre ehemalige WG-Oma hingezogen war. Ich wollte es ja selbst gern wissen, manches betrachtet man erst durch die Augen anderer neu und als nicht selbstverständlich.

Ich ging in die Küche. Überall waren Löcher im Boden, alte Gläser standen unabgespült herum, es war wirklich sehr, sehr schmutzig. Der Raum hatte einen Nebenraum, dessen Zweck sich mir nicht offenbarte, außer dass die Bewohner vor mir viele alte und kaputte Dinge hier zurückgelassen hatten. Vielleicht war das ja deren Speicher? Dann sah ich das riesige Loch in der Mitte. („dann“ ist gut, es war eindeutig nicht zu übersehen, doch hatten mich zunächst all die verstaubten kaputten Möbel abgelenkt.)

Ich sah in das Loch hinunter. Es handelte sich um einen etwa 1,50 Meter hohen Zwischenraum, einen doppelten Boden wie schon gesagt, mit von Holzwürmern zerfressenen Balken. Links hinten sah ich einen Wäscheständer, auf dem sehr verstaubte oder schmutzige Klamotten hingen.

Plötzlich wusste ich: Ich war nicht alleine. Jemand war da unter mir, versteckte sich. Um meine aufkommende Angst zu übertönen, stampfte ich laut auf, schrie, jaulte, machte alle mir möglichen komischen Geräusche und trampelte so auf diesem morschen Holzboden herum, dass es Staub regnete.

Und da war es. Ein kleines, gebeugtes Menschlein schüttelte sich und sah mich mit hasserfülltem Blick an. Nur kurz, und dann war es verschwunden, auf allen Vieren, weil es so da unten besser vorankam. Weg war es, Spuren im Dreck und eine unheimliche Stille hinterlassend.

Ich war zutiefst geschockt und fragte mich, was ich in dieser Bruchbude allen Ernstes tat. Warum hatte ich es überhaupt gemietet? Ich war doch eh nie hier. Mir war klar, diese kurze Begegnung hatte noch ein Nachspiel – nur dass sie so ausgehen würde, konnte niemand ahnen.

(18.02.22, Halle) (Fortsetzung folgt)

Veröffentlicht von

lenkasause

Die Worte flossen aus meinen Fingern, ich verstehe sie erst jetzt...

Ein Gedanke zu “Doppelter Boden (I)”

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