Über Macht

In der dieswöchigen Sonntagspredigt ging es um „Macht“, und bei ein paar Gedankenanstößen hab ich einfach mal weitergedacht.

Wir sollen unsere Macht nutzen und damit Gutes tun. Wir sollen nachdenken: Was liegt in meiner Macht? Wo bin ich „ohnmächtig“? Wo fühle ich mich so und warum? Wir sollen nicht nur reden, sondern auch handeln. Machen. Wie kann ich meine Macht einsetzen? Erstarre ich manchmal in meiner (gefühlten) Ohnmacht? Besonders angesichts der Tragödien der Welt? Tue ich alles in meiner Macht stehende, um die Welt zu einem besseren Ort zu machen?

Auch wenn wir das Gefühl bekommen, wir sind machtlos, müssen wir uns darauf besinnen, sehr wohl mächtig zu sein: Wir können im „Kleinen“ anfangen und beispielsweise unseren Nächsten helfen, Fremden ein Lächeln schenken usf. – und dadurch einem Menschen den Tag oder sogar das Leben retten.

Wer weiß? Vielleicht hast Du der fremden Frau an der Supermarktkasse durch Deine freundliche Art gezeigt, dass die Welt doch nicht so schlecht ist, wie sie sie gerade empfindet? Oder dem älteren Herren, dem Du den Einkauf nach Hause getragen hast, dass er nicht so einsam ist, wie er sich oft fühlt? Dass es da draußen Hoffnung gibt? Zwei Beispiele für unendlich viele Möglichkeiten.

Hilfst Du einem, hilfst du allen. Und wir müssen es nicht alleine tun. Wir können uns zusammenschließen und gemeinsam für eine Sache eintreten. Nach dem Motto, viele Äste oder Pfeile lassen sich schwerer brechen und so. Wir können verantwortungsbewusst wählen, für eine bessere Zukunft für alle, vor allem diejenigen nach uns, für das Leben, gegen den Hass. Wir können in Dialog treten, aufeinander zugehen, zugeben, nicht alles zu wissen, die Gemeinsamkeiten mit den anderen Menschen sehen, ihr Leiden erkennen.

Wir können das Geld für das Kleid, das wir aus Frust oder Langeweile kaufen wollten, spenden und so einem Kind oder sogar einer Familie mehr als einen Tag lang das Essen finanzieren. Als Beispiel. Jeder Euro zählt, jeder Euro bedeutet in diesem Sinne „Macht“. Macht es nicht Spaß, das Geld, von dem wir oft gar nicht mehr wissen, welchen überflüssigen Kram, mit dem wir unsere Wohnungen vollstellen, für etwas Gutes einzusetzen?

Ich kenne diese Ohnmacht, und je mehr ich von den Krisen der Welt lese, desto größer wird sie, und desto verzweifelter und hilflos werde ich. Aber je mehr ich über die Worte vom Sonntag nachdenke, desto sicherer bin ich: Jede und jeder von uns hat mehr Macht, als wir uns meistens zugestehen. Besonders, wenn wir uns zusammentun und gemeinsam für mehr Solidarität kämpfen, unabhängig von Hautfarbe, Religion und sonstigen Identitätsgrenzen, die uns voneinander fernhalten und uns vergessen lassen, dass wir alle eins sind: Menschen.

Und ist es nicht auch faule Ausrede zu sagen: Ach, was können wir (= in unserer vermeintlich unbedeutenden Rolle) schon ausrichten?

Weil ich schon wieder „kämpfen“ geschrieben habe und doch all die Kriege leid bin: Es muss gar kein „Kampf“ sein (auch wenn sich einige Probleme dieser Welt m.E. nicht ohne Kampf lösen lassen, z.B. durch Arbeitskampf). Viele von uns sind so müde vom persönlichen, alltäglichen Überlebenskampf und/oder von all den Kämpfen dieser Erde, von den allseits schlechten Nachrichten, der gefühlten Hoffnungslosigkeit.

Wo liegt unsere Macht? In unserer Zartheit, in unserer Sensibilität, in unserem Blick für das Schöne, in unserem liebevollen, aufmerksamen, mitfühlenden Miteinander. In einer Bitte um Hilfe, in einem Tag Nichtstun, sich Wehren gegen die immerwährende Geschäftigkeit, geforderte Produktivität, Leistungsbereitschaft. Kampf durch Nichtkämpfen. Durch Liebe schenken, erhalten, Dankbarkeit fühlen. Mir müssen nichts tun, um geliebt zu werden.

An all das, an die Schönheit der Erde und unseres Menschseins, können wir uns gegenseitig erinnern und uns damit Hoffnung schenken. Wir können ein Licht in des anderen Dunkelheit sein – ist das nicht schon „Macht“ genug?


Wo liegt Eurer Meinung nach Eure/unsere „Macht“?


[Halle, 7.11.23]

Veröffentlicht von

lenkasause

Die Worte flossen aus meinen Fingern, ich verstehe sie erst jetzt...

6 Gedanken zu „Über Macht“

  1. So wunderschön und wahr geschrieben.
    Ja wir sind mächtig, jeder Einzelne von uns und gemeinsam noch viel mehr.
    Mögen viele in diese Richtung schauen und dazu beitragen, diese wunderschöne Welt mit ALLEM was ist wieder zu lieben.
    Danke Lena, DU bist ein wunderbares Wesen.

    LG Tina

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  2. Macht. Ich mag dieses Wort nicht, da Menschen mit Macht nicht umgehen können. Sie verlieren sich darin und erkennen am Ende nur noch sich selbst. Das geht nie gut aus.
    Daher bevorzuge ich das Wort Befähigt. Wir alle sind befähigt unsere Perspektive auf genau das zu legen, welches du so schön beschrieben hast. Alle. Werden wir uns dessen bewusst, verändert sich die Welt der Menschen. Zum Guten.

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    1. Ich mag das Wort „Macht“ auch nicht, erinnert mich an „Machtergreifung“, „Machthaber“ und solche unguten Dinge. Fand es aber mal spannend, diesem Wort nachzuspüren, besonders im Hinblick der Wörter „machtlos“ und ohnmächtig“, die ich von meinem Umfeld z.Z. öfters höre. Schadet dem Wort auch nicht, ein bisschen kleiner gedacht zu werden. Liebe Grüße!

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  3. Guten Tag Frau L. Sause,

    Zitat:

    Wo liegt Eurer Meinung nach Eure/unsere „Macht“?

    Antwort:

    Sie liegt mir quer im Magen.

    Fragen:

    Warum und wieso soll ich Eure Macht mir wissen
    Warum soll ich dem (uns) etwas Besseres wissen

    Ich wünsche Ihnen einen wunderbaren Abend
    Mit freundlichen Grüßen
    Hans Gamma

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