Manche Gedichte leben

Manche Gedichte leben 
in meinem Herzen nur,
dort wohnen sie
für immer.

Sie sind unaussprechlich,
nicht in Worte zu fassen,
jeder Versuch raubte ihnen
ihren Zauber.

Verstehen lassen sie sich
nicht, nur fühlen,
und warum also
ausformulieren?

Allein die Poesie vermag
über Bilder auszudrücken,
was sich nicht einfangen lässt, was,
wenn doch in Worten gefangen,
immer nur ein Abglanz
der Wahrheit ist.
[Halle, 1.5.]

Schöne, wilde Blume

Schöne, wilde Blume, warum reisst du sie aus?

Weisst du nicht, wenn du sie mitnimmst, ist das der Anfang vom Ende? Du willst sie besitzen, nimmst dir, was du brauchst, allein etwas zu töten kann nie ein Zeichen von Liebe sein?

Sie sind so bunt, riechen gut, vollenden den Raum? Das ist alles äußerlich und dient allein deinen Zwecken.

Diese Blume aber kann niemandem gehören, ihre Natur ist wild, frei, und wer sie an sich nimmt, raubt ihren Geist, hält sie künstlich am Leben.

Warum wohl geht sie nach kurzer Zeit ein, warum überlebt sie nicht trotz des Düngers, des besonderen Wassers, des schönen Platzes am Fenster?

Das Schöne verwelkt, wenn Du es besitzen und einsperren willst. Empfindest du wahre Liebe, lass los, erfreu Dich ihrer Natur und also ihrer Freiheit.

[Halle, 23.4.23]

Das ist keine Liebe

Wenn du jemanden aus purem Egoismus und damit auch aus purer Angst besitzen willst, ihm durch Psychospielchen die Menschen, die er liebt, vertreiben willst, wenn du ihn auf die ein oder andere Art zwingst, bei dir zu bleiben, wenn du ihm seine Freiheit und seine Freund:innen nicht zugestehen kannst, wenn du meinst, er gehört nur dir, und ihn und andere Menschen durch Lügen verletzt – das ist keine Liebe.

Wenn er sich erst „freikaufen“ muss und merklich ein Felsklotz von seinem Herzen fällt – das ist keine Liebe.

Ihn mit dem eigenen Kind zu erpressen – das ist keine Liebe.

Wenn er furchtbare Angst vor dem Moment hat, in dem du herausfindest, wer seine Partnerin ist, weil er weiß, dass du dann etwas Verrücktes machst, dass du dann versuchst, diese Beziehung zu zerstören, so wie du es mit all den anderen (platonischen) Freundinnen gemacht hast – das ist keine Liebe.

Das ist (Selbst-)Hass, niedrigstes Selbstwertgefühl, Verlust jeglichen Realitätsbezugs, Egoismus, Verblendung, Bosheit, aber – das ist keine Liebe.

„Liebe ist die…

… einzige Revolution“ – Krishnamurti.

Wenn wir allem Lebenden mit Liebe begegnen, ändert das alles.

Wir gehen liebevoll mit uns und also auch mit anderen um, wir lieben die Natur und alle kleinen und großen Lebewesen darin, wir töten sie nicht mehr für unseren Profit.

Wir lieben unsere Erde, auf der wir leben dürfen und die voller Wunder ist, wir verschmutzen ihre Luft, ihren Boden und ihr Wasser nicht mehr.

Wir führen keine Kriege mehr, weil niemand Hass auf den Anderen empfindet und niemand aus Gier anderer Länder Gut besitzen will.

Wir teilen alles, weil wir genug für alle haben, und niemandem soll es schlechter oder besser gehen.

Wir machen niemanden kleiner, damit wir uns größer fühlen, weil wir den Vergleich nicht kennen und wir alle gleichwertig sind. Kein Geschlecht ist besser als das andere, keine Hautfarbe hat vor der anderen Vorrang, institutionalisierte und ideologisierte Religionen gibt es nicht mehr, höchstens nur das Leben nach den Worten und Werten der Personen, die diese angestoßen haben. Die religiösen Institutionen instrumentalisierten deren Worte, um die Menschen beherrschen und lenken zu können.

Die eigentliche Botschaft war und ist die Liebe, sie ist die einzige Revolution und verbietet jegliche Institutionalisierung und Ideologisierung, die ihr entgegensteht.

[Essenbach, 26.12.22]

Gib mir

Gib mir
5 000 Küsse,
schick mir
10 000 Herzen am Tag,
sag mir,
wie sehr Du mich liebst.
Ich will ich will ich will,
sagt mein Kopf
aus Angst, nicht geliebt zu werden -
allein wollen ist nicht lieben.

Denn eigentlich ist
alles, was mich glücklich macht:
Dich zu lieben, Dich zu kennen,
Dich zu sehen und zu hören,
Dein Lachen,
Deine Weisheit,
Deine Güte, Dein Herz.

So dankbar bin ich,
dass es Dich gibt,
überhaupt und in meinem Leben,
wir uns getroffen haben,
Du auf mich zukommst,
wenn ich sauer, traurig, sonst was, bin;
Du so wunderbar kochst,
Dich kümmerst, grenzenlos.

Manchmal, wenn ich
müde oder hungrig und
nicht ich selbst bin,
vergess' ich das alles,
doch Du lachst, denn Du kennst mich und
weißt auch, ich schenkte Dir die Welt,
wenn ich könnt…

[Essenbach, 28.10.22]

Augustsommernacht

Am Horizont dröhnt und kracht es, so stelle ich mir die Geräuschfront eines Krieges vor. Was, wenn der Krieg schon längst vor unserer Haustür ist? Was, wenn diese Stadt eigentlich die ganze Welt darstellt und alles, was wir in der Zeitung lesen, sich nur auf sie bezieht?

Kann gar nicht sein, wir waren doch gerade erst außerhalb, sind nach Bayern gefahren. Oder war das ein Traum?

Was, wenn alles, was wir vermeintlich außerhalb der Stadt erleben, nur ein einziger Traum ist? Die Jahre davor, das Studium in der anderen Stadt, meine Kindheit – Traum. Das Leben beginnt erst mit Übertritt in diese Stadt. Dann verstünde ich, warum mir die Jahre davor viel froher und unbeschwerter erscheinen.

Es war nur ein Traum.

Vielleicht fahre ich bald mal länger weg, nur weg von hier, meinen Ängsten und Zweifeln davon. Kann ich dem Leben entfliehen und für immer träumen? Ist das dann noch Leben? Oder befinde ich mich bei Übertritt in einer Starre, eingefroren, bis ich entscheide, aufzuwachen?

Ich bin oft sehr müde zur Zeit. Warum die ganze Mühe, wenn schlafen doch viel einfacher ist? Wenn im Traum viel mehr passiert als im Wachzustand in dieser Stadt?

Die Zeitungen gaukeln uns tägliche Ereignisse vor. Doch ereignet sich deshalb in unserem ganz eigenen Leben mehr? Was sie auch bewirken: Hoffnungslosigkeit, Ohnmachtsgefühle, Traurigkeit, Fassungslosigkeit, Scham, Wut (wenn ich es zu nah an mich heranlasse). Und das durch Dinge, die in diesem Augenblick nichts mit mir zu tun haben. Die vielleicht nur in der Traumwelt stattfinden, wenn überhaupt. Lieber nicht zu viel lesen.

Mitternacht, ich öffne das Fenster, es ist laut für diese Uhrzeit. Grillen zirpen, aus mehreren Wohnungen Action-Film-Geräusche, hinten am Horizont die Autobahn, Lastwagen an Lastwagen, Feuerwehrsirene. Am Firmament der große Wagen, Cassiopeia, eine Sternschnuppe. Auf der Couch schläft meine Liebe, psst, leise lege mich dazu. Mal sehen, was meine Träume heute offenbaren.